"Die klassischen Q-Berufe sterben aus!"

Dr. Carsten Behrens

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Dr. Carsten Behrens

Veröffentlicht am

5.2.2023

"Die klassischen Q-Berufe sterben aus!"

Das war die Aussage von Hans Weber in der QZ 9/2019, einem namhaften Personalvermittler im Q-Bereich [1]. Ein Ruck ging durch die Q-munity. Einige Stimmen in der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) fühlen sich seitdem bestärkt in der Erkenntnis, dass sich die Qualitätsmanagement-Community nicht schnell genug an die aktuellen Herausforderungen der Wirtschaft anpasst und daher zunehmend verdrängt wird. Die Modell Aachen GmbH geht diesem vermuteten Trend seitdem in einer regelmäßigen Q-Berufsstudie nach. Und es zeichnen sich deutliche Trends auf Basis der Auswertung von 12/2021 ab.

Wen interessiert’s?

Berufe kommen und gehen. Das ist seit Jahrtausenden so und wird auch weiterhin so sein. Auch die Berufe rund um das Thema Qualität kommen, gehen und verändern sich. Welche Relevanz hat das schon? Für Außenstehende wenig, da an den Q-Berufen nicht die deutsche, geschweige denn die Weltwirtschaft hängt. Wirklich relevant ist die Frage nach der Veränderung und der Verdrängung der Q-Berufe vor allem für diejenigen, die in diesen Berufen arbeiten. Für sie stellt sich die Frage, ob der aktuelle Beruf eine Zukunft hat, welche Wertigkeit er haben wird und welche beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten existieren. Die zweite Gruppe an Interessenten sind Organisationen, deren Kunden den Q-Berufen zugeordnet werden können. Das ist beispielsweise eine Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) oder aber auch CAQ-Softwareanbieter wie eine Babtec GmbH oder IMS-Softwareanbieter wie die Modell Aachen GmbH. Bei diesen Organisationen stellt sich die Frage, ob ihre Community zukünftig überhaupt noch in der Form existieren wird, wie wir sie heute kennen. Bei der DGQ ist diese Frage existenziell, bei Softwareanbietern gibt es eine gute Chance, dass Qualitätsdatenverarbeitung beziehungsweise Prozessmanagement weiterhin von Relevanz sein werden, jedoch von anderen Berufsgruppen getrieben werden.

Setup der Studie

Die Q-Beruf-Studie der Modell Aachen GmbH setzt dabei auf Daten der beliebtesten deutschen beruflichen Social-Media Plattform XING. Die Grundannahme ist dabei, dass XING mit 16 mio. Nutzern in Deutschland ein brauchbares Abbild des Arbeitsmarktes darstellt. Werden nun über die Zeit die Anzahl der Personen ausgewertet, die in definierten Berufsbezeichnungen arbeiten, lassen sich über die Jahre deutliche Trends erkennen. Die Trefferlisten beinhalten dabei sowohl männliche als auch weibliche Berufsbezeichnungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Grundgesamtheit der Personen, die ein Profil bei XING haben, über die Zeit gewachsen ist. Von Beginn der Q-Berufe Studie der Modell Aachen GmbH 7/2019 bis heute ist das eine Zunahme von 10,5% [2]. Soll nun das Wachstum/ die Schrumpfung der Gruppe einer bestimmten Berufsbezeichnung ermittelt werden, ist das Wachstum um diese 10,5% zu normieren.

Ein zweiter weniger wichtiger, aber dennoch interessanter Faktor ergibt sich aus der Verteilung, wie groß der Anteil einer Berufsgruppe in Deutschland im Verhältnis zu den gesamt-XING Usern der DACH-Region ist. Hier gibt es ganz offensichtlich typisch deutsche Berufsbezeichnungen, die in Österreich und der Schweiz völlig ungebräuchlich sind.

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Die Ergebnisse – die Verlierer

Das Stichwort „Qualitätsmanagement“ in der Berufsbezeichnung ist mit -0,2% in der normierten Betrachtung stabil, „Quality Manager“ sogar mit 4,5% über die letzten zwei Jahre wachsend. Es ist also nicht davon auszugehen, dass das Thema Qualitätsmanagement in den nächsten Jahren ausstirbt. Die Community ist an sich stabil. Allerdings gibt es Verlierer unter den Q-Berufen. Wirklich von Relevanz ist da der „QMB“ und der „QM-Beauftragte“ die in zwei Jahren um 28,1 bzw. 25,2% geschrumpft sind. In absoluten Zahlen sind das in Summe 900 entfallene QMB im deutschsprachigen Raum innerhalb von zwei Jahren. Das ist damit zu erklären, dass der QMB nicht mehr explizit in der ISO 9001 als so benannte Stelle gefordert wird. Das bedeutet noch lange nicht, dass die Aufgaben des bisherigen QMB entfallen sind. Lediglich die Stellenbezeichnung entfällt vielerorts. Bei linearer Extrapolation ist davon auszugehen, dass diese Bezeichnung in 8 Jahren nicht mehr existiert. Wenn zusätzlich davon ausgegangen wird, dass die Stellenbezeichnungen bei XING von den jeweiligen Usern häufig mit deutlichem Zeitversatz angepasst werden, kann das Aussterben dieser Berufsbezeichnung auch noch deutlich schneller stattfinden.

Voraussichtlich in die gleiche Kategorie fällt der „Q-Manager“, der mit 45,6% die stärkste Schrumpfung aller Berufsbezeichnungen aufweist allerdings mit ursprünglich rund 250 Treffern nicht so verbreitet ist.

Darüber hinaus fällt auf, dass die Bezeichnungen „Leiter Qualitätsmanagement“ und „QM-Leiter“ um 15,7% bzw. 26,0% geschrumpft sind (zusammen absolut -300) während „Head of Quality“ recht konstant verbleibt. Gerade mit Hinblick auf die Aussagen von Herrn Weber als Experten im Bereich der Q-Berufe ist zu vermuten, dass die Aufbaustruktur des Qualitätsmanagements zunehmend aufgelöst wird zugunsten von Rollen, die in den Fachbereichen für Qualität sorgen. Darüber hinaus gibt es eine Verschiebung hin zur englischen Bezeichnung.

Weitere stark schrumpfende Q-Berufe sind „KVP“, „EFQM“, „SixSigma“ und „TQM“, was andeutet, dass diese am Ende Ihres Lebenszyklusses angekommen sind. Dabei ist auch deren Gesamtanzahl bereits sehr gering.

Die Ergebnisse – die Gewinner

Auffällig ist in der Auswertung, dass die Qualitätssichernden Berufsgruppen sich deutlich stärker positionieren. So können „Mitarbeiter Qualitätssicherung“ und „Quality Assurance Specialist“ um 1,8 bzw. 8,7% zulegen. Es scheint also einen Trend weg vom häufig eher nebulös wahrgenommenen Qualitätsmanagement hin zur handfesten Qualitätssicherung zu geben.

Die am stärksten hinzugewinnende Berufsgruppe ist „Compliance“ mit 15,2% normiertem Wachstum in zwei Jahren. Zunehmende gesetzliche und normative Regularien ließen diesen Trend schon vermuten. Spannend wird, ob das Berufsbild des Compliance Managers sich so stark und umfassend entwickelt, dass QM-Systeme zukünftig vermehrt als eine Teilmenge der Compliance in den Unternehmen betrachtet werden. Aus meiner Sicht wäre das eine traurige Entwicklung.

Ein überraschender Wert ist die Zunahme von Personen mit der Berufsbezeichnung „Organisationsentwicklung“ mit einem Wachstum von 139%. Dieser Wert scheint allerdings eher ein Effekt aus einer Veränderung der Such-Algorithmen von XING zu sein. Unter „Organisationsentwicklung“ werden 2021 auch alle Treffer mit „Personalentwicklung“ gefunden, so dass das Ergebnis stark verfälscht ist. Es sei aber der Vollständigkeit halber hier erwähnt.

Abschließend scheint es typisch deutsche Berufsbezeichnungen zu geben. Allen voran ist da der „QMB“ mit 98% deutscher XING-Nutzer, gefolgt von Informationssicherheitsbeauftragter mit 97% und Datenschutzbeauftragter mit 95%. Wir Deutschen scheinen die Beauftragten zu lieben. In der Schweiz und in Österreich sind diese Berufsbezeichnungen quasi nicht existent. Aber auch „Reklamationsmanagement“, „Qualitätsingenieur“ und „Mitarbeiter Qualitätssicherung“ scheinen typisch deutsche Berufsbezeichnungen zu sein.

Fazit

Die DGQ kann aufatmen: Die Q-munity als Ganzes ist stabil. CAQ-Hersteller haben mit erstarkten Qualitätssicherungsrollen eine starke Zielgruppe. EFQM, TQM, KVP und SixSigma scheinen zumindest als Berufsbezeichnungen am Ende Ihres Lebenszyklusses angekommen zu sein. Für QMBs und Personen die QM-Leitungsfunktionen innehaben oder anstreben wird die Luft dünner. Diese Berufsbezeichnungen schrumpfen recht stark. Wenn man rein den Ergebnissen dieser Studie folgt, wäre eine Weiterentwicklung dieser Personen in Richtung Compliance, Qualitätssicherung oder vielleicht auch Organisationsentwicklung ggf. eine gute Idee.

Für uns von der Modell Aachen GmbH bedeutet das Ergebnis dieser Studie, dass die Berufsbezeichnungen, die das Thema „Managementsystem“ in den Unternehmen treiben sich zunehmend verlagern ohne dass das Thema an Relevanz verliert. Im Gegenteil – die Bedeutung prozessorientierter Managementsysteme ist in den Unternehmen sowohl laut diverser Studien als auch unserer eigenen Erfahrung nach weiterhin hoch und nicht zuletzt aufgrund des zunehmenden Digitalisierungsdrucks weiterhin stark steigend.

[1] QZ 9/2019 „Raus aus der Komfortzone!“
[2] https://de.statista.com/themen/746/xing/

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