7 Tipps für eine gute Prozess­land­karte

Rico Wilmink

Von

Rico Wilmink

Veröffentlicht am

5.2.2023

7 Tipps für eine gute Prozess­land­karte

Die Theorie vorneweg: Was ist eigentlich eine Prozesslandkarte? Die Prozesslandkarte ist ein Modell des Unternehmens, also ein vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit.

Sie umfasst dementsprechend nicht alle Eigenschaften des  Unternehmens. Stattdessen fokussiert sie sich auf die relevanten Aspekte. Welche Aspekte relevant sind, hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab:

1. Das Ziel: Wozu wird die Prozesslandkarte genutzt?

Eine gute Prozesslandkarte erfüllt vor allem zwei Ziele:

      - Sie hat einen didaktischen Wert, indem sie das Geschäftsmodell und die strategischen         Zusammenhänge im Unternehmen veranschaulicht.

      - Sie dient als Navigationsoberfläche im Managementsystem, mit der Nutzer schnell und         einfach von den einzelnen Prozessen bis auf die Ebene der          Arbeitsanweisungen,         Formulare und Wissensseiten gelangen.

2. Der Adressat: An wen richtet sich die Prozesslandkarte?

Ein Managementsystem sollte eine Arbeitshilfe für alle Mitarbeiter sein – nicht nur für QM-Beauftragte, Auditoren und Geschäftsführung. Darum sollte die Prozesslandkarte allen Nutzern einen einfachen Einstieg in das Managementsystem ermöglichen.

3. Der Zeitfaktor: Bildet die Prozesslandkarte Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft ab?

Für den Arbeitsalltag der Mitarbeiter ist weder die Vergangenheit noch die Zukunft relevant: Hier sind aktuelle Hilfestellungen gefragt. Darum sollte die Prozesslandkarte den gegenwärtigen Ist-Zustand abbilden.

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Die Praxis: Die Prozesslandkarte richtig aufbauen

Wie lassen sich all diese Aspekte und Ziele nun erfolgreich in einer Prozesslandkarte vereinen?

1. Unterscheiden Sie zwischen Führungs-, Kern- und Unterstützungsprozessen.

Eine saubere Unterteilung in die unterschiedlichen Arten von Prozessen ist wichtig. Denn so vermitteln Sie sowohl das übergeordnete Ziel des jeweiligen Prozesses als auch den entsprechenden „Kunden“. Neben den externen Endkunden gibt es nämlich auch interne Kunden. Ein Beispiel: Die Personalabteilung stellt nur indirekt Mitarbeiter ein, die den Endkunden glücklich machen. Zunächst einmal sucht sie im Auftrag der jeweiligen Abteilung nach neuen Kollegen – diese Abteilung ist der direkte interne Kunde.

  • Führungsprozesse beschreiben die strategische Ausrichtung und Steuerung des Unternehmens. Die Mitarbeiter sind die internen Kunden dieser Prozesse.
  • Kernprozesse – auch Wertschöpfungskette oder End-to-End-Prozesse genannt – bilden die Prozesse zur Verwirklichung der Kundenanforderungen ab. Sie dienen somit den externen Endkunden.
  • Unterstützungsprozesse sind für die Kernprozesse unerlässlich, tragen aber nicht aktiv zur Wertschöpfungskette bei. Die Kernprozesse sind ihre internen Kunden.
2. Gestalten Sie eine zusammenhängende Kernprozesskette.

Häufig sind die Kernprozesse über viele Jahre hinweg wie ein Flickenteppich gewachsen – es besteht keine vollständige und zusammenhängende Prozesskette. Dabei ist diese wichtig, um die Parallelen und Chronologien der Prozesse zu visualisieren. Denn nur so werden Schnittstellen zwischen Abteilungen sichtbar, die das abteilungsübergreifende Denken fördern. Definieren Sie also eine zusammenhängende Kernprozesskette: Beginnen Sie beim Eingang der Kundenanfrage und enden Sie bei der Auslieferung der gewünschten Dienstleistung oder des gewünschten Produktes.

3. Bilden Sie Ihr Geschäftsmodell ab.

Beim Betrachten der Prozesslandkarte und insbesondere der Kernprozesskette sollte sofort klar werden, wie Ihr Unternehmen sein Geld verdient und wie es grundsätzlich ausgerichtet ist. Sind Sie Individualfertiger und entwickeln jedes Produkt entsprechend der Kundenanforderungen? Dann müssen Sie zuerst Kunden gewinnen, bevor Sie mit der Entwicklung und Produktion beginnen. Oder sind Sie ein Serienfertiger und produzieren auf Lager? Dann produzieren Sie zuerst ein Produkt und vertreiben es anschließend. Erbringen Sie verschiedene Leistungen empfiehlt es sich, mehrere parallele Kernprozessketten abzubilden. Bei Handelsunternehmen ist die Beschaffung Teil der Kernprozesskette, in einem produzierenden Unternehmen ist sie ein Unterstützungsprozess – passen Sie Ihre Prozesslandkarte entsprechend an.

4. Bezeichnen Sie Prozesse anhand der Aktionen, die dahinterliegen – nicht nach Abteilungen.

Es mag naheliegend erscheinen, Prozesse nach den verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens zu benennen. Dies fördert jedoch das „Silo-Denken“ der einzelnen Abteilungen, das es eigentlich aufzulösen gilt: Optimiert jede Organisationseinheit nur die eigenen Teilprozesse, nicht aber den abteilungsübergreifenden Gesamtprozess, hat das im schlimmsten Fall negative Folgen für das gesamte Unternehmen. Speziell die einzelnen Schritte der Kernprozesskette sollten darum mit Subjekt und Verb benannt werden: beispielsweise „Kunden gewinnen“ statt „Vertrieb“. Auf diese Weise werden sowohl das übergeordnete Prozessziel als auch der gesamte Kreis der Adressaten deutlich. Schließlich ist zum Überzeugen des Kunden oftmals ein Zusammenspiel von Marketing, Vertrieb, Produktion sowie Entwicklung notwendig.

5. Reduzieren Sie die Prozesslandkarte auf eine überschaubare Anzahl von Elementen.

Die Modell Aachen GmbH hat eine Studie zur Usability von Prozesslandkarten durchgeführt. Das Ergebnis: Eine überschaubare Anzahl von Elementen ist entscheidend für die Nutzerfreundlichkeit. Die Grenze liegt bei maximal sechs Elementen je Kategorie, also jeweils sechs Elementen bei den Führungsprozessen, Kernprozessen und Unterstützungsprozessen. Alle Sonderfälle, Leistungsketten sowie Wechselwirkungen in der Prozesslandkarte abzubilden ist grundsätzlich zwar möglich, im Sinne der Usability jedoch nicht ratsam.


6. Holen Sie das Feedback Ihrer Kollegen ein.

Viele QM-Handbücher dienen ausschließlich als Grundlage für Zertifizierungen, meist verwenden dann nur Geschäftsführung, Qualitätsmanagement und Auditoren die Prozesslandkarte. Ein Ziel des Managementsystems ist es jedoch, eine Arbeitshilfe für alle Mitarbeiter zu schaffen. Fragen Sie darum alle Kollegen nach ihrem Feedback, um eine adressatengerechte Prozesslandkarte zu erstellen: Findet sich jeder auf der Prozesslandkarte zurecht?

7. Wählen sie das richtige Modell als Grundlage für Ihre Prozesslandkarte aus.

Als Grundlage für die Prozesslandkarte hat sich das Aachener Qualitätsmanagement-Modell bewährt, das eine klare und einfache Struktur mit hohem Wiedererkennungswert vorgibt. Viele andere Modelle eignen sich aufgrund ihrer Eigenschaften weniger:

  • Das EFQM-Modell gibt hervorragende Anregungen zur modernen Gestaltung eines Unternehmens und damit auch eines Managementsystems. Da es ein Bewertungsmodell ist, ist es als Strukturierungshilfe für die Prozesslandkarte jedoch ungeeignet.
  • Das SCOR-Modell ist ein Referenzmodell aus dem Supply-Chain-Management und ist grundsätzlich als Grundlage für die Prozesslandkarte geeignet. Allerdings ist es sein Ziel, Materialflüsse abzubilden – keine Arbeitsabläufe mit entsprechender Kundenorientierung.
  • Das St. Galler Management-Modell stellt die Zusammenhänge innerhalb eines Unternehmens im Zusammenspiel mit externen Faktoren dar. Als Gestaltungsgrundlage für die Prozesslandkarte eignet es sich darum nicht.
  • Normen sind reine Kriterienkataloge, keine Gestaltungsmodelle oder Strukturierungsempfehlungen für Managementsysteme.

Darum ist eine gute Prozesslandkarte wichtig

Mit diesen 7 Tipps visualisieren Sie das Erfolgsrezept Ihres Unternehmens und erstellen gleichzeitig einen übersichtlichen Wegweiser für Ihr Managementsystem – dieser ist entscheidend für die Akzeptanz des Systems! Außerdem beeinflussen beide Faktoren die Prozesse in Ihrem Unternehmen positiv. Denn alle Mitarbeiter finden notwendiges Wissen im Arbeitsalltag schnell und einfach, gleichzeitig sind abteilungsübergreifende Zusammenhänge für jeden klar ersichtlich. Auf diese Weise schaffen Sie den Grundstein für eine gemeinsame Optimierung Ihrer Prozesse von A bis Z, anstatt dass jede Abteilung nur ihre eigenen Prozessschritte im Blick hat.

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