Warum Organisationen ihre Strategien mit ihren Prozessen verknüpfen sollten – und umgekehrt

Sven Schneider

Von

Sven Schneider

Veröffentlicht am

23.10.2023

Warum Organisationen ihre Strategien mit ihren Prozessen verknüpfen sollten – und umgekehrt

Wie können Qualitäts- und oder Prozessmanager angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage den eigenen Beitrag an der Wertschöpfung des Unternehmens erhöhen? Mit dieser Frage hat sich Vincent Fischer vor Kurzem im DGQ-Blog beschäftigt. Denn gerade die Tätigkeiten dieser Rollen sind es, die die Wertschöpfung nicht direkt, sondern nur indirekt beeinflussen. Darum sei es ratsam,

  1. die Wahrscheinlichkeit für Verbesserungen zu erhöhen.
  2. strategische Entscheidungen wirksam in Prozesse einzuweben.
  3. Kundenanforderungen spürbar zu erfüllen.
  4. Risiken auf einen Nenner zu bringen.
  5. regulatorische Anforderungen zu priorisieren.
  6. Wiederholungsdiskussionen zu reduzieren.
  7. Best Practices zu beschleunigen.

Gerade den zweiten Vorschlag, strategische Entscheidungen wirksam in Prozesse zu integrieren, sollten wir genauer betrachten: Dieser Punkt begegnet mir regelmäßig in Kundenprojekten, wird aber gern etwas stiefmütterlich behandelt und auf die lange Bank geschoben. Dadurch bleiben wertvolle Potenziale ungenutzt.

Strategien an konkreten Stellen in Prozessbeschreibungen aufgreifen

Dass QMler strategische Entscheidungen und Prozesse miteinander verweben sollen, ist zunächst noch ein recht vager Vorschlag. Zwei Aspekte sind hier besonders wichtig:

  1. Der Vorschlag enthält implizit eine doppelte Perspektive. Einerseits sollen die Strategien mit den Prozessen gekoppelt sein und andererseits sollen Prozesse an Strategien gekoppelt sein. Die Verknüpfung ist im Idealfall also eine wechselseitige.
  2. Was der Vorschlag nicht enthält: eine konkrete Idee des „Wie“. Die Frage, wie Strategien und Prozesse miteinander verwoben werden können, behandelt der DGQ-Artikel nicht weiter.

Es bleibt also ein Interpretationsspielraum, den ich mit einer These füllen möchte:

Es reicht nicht aus, Strategien zu formulieren und diese zugänglich zu machen, beispielsweise durch Aushänge, in Mitarbeiterzeitschriften oder durch eine Seite namens „Ziele und Strategien“ im Interaktiven Managementsystem. Vielmehr sollten Strategien an ganz konkreten Stellen in konkreten Prozessbeschreibungen verknüpft werden, um wirksam zu werden.

Warum?

Dissonanzen durch ganzheitliche Betrachtung erkennen

Die These zielt auf eine ganzheitliche Betrachtung der Organisation ab. In dieser ist im oberen Management bekannt, was an der Basis passiert – und gleichzeitig besteht im operativen Tagesgeschäft die Chance, die eigenen Tätigkeiten ohne viel Aufwand und Transferleistung mit den Strategien und Zielen des Unternehmens zu verbinden. Durch diese Verknüpfung wird es jedem Mitarbeiter ermöglicht, das eigene Handeln vor dem Hintergrund gesamtunternehmerischer Auswirkungen zu reflektieren. Dadurch sind alle Mitarbeiter in der Lage, Dissonanzen zwischen den Strategien und den praktischen Tätigkeiten zu erkennen.

Bei einer Dissonanz muss nicht zwingend das operative Geschäft angepasst werden. Es kann ebenso gut sinnvoll sein, die Strategien und Ziele in Frage zu stellen und (nach-)zu justieren. Vielleicht ist genau das auch der Grund, weshalb viele Organisationen es scheuen, Strategien und Zielen mit den konkreten Tätigkeiten im operativen Tagesgeschäft zu verknüpfen. Wozu sollte in der Prozessbeschreibung angegeben sein, welches unternehmerische Ziel mit dem Prozess oder gar einem einzelnen Prozessschritt verfolgt wird? Das lenkt doch nur vom Wesentlichen ab! Mitnichten.

Verknüpfung erzeugt Sinn, Verständnis und Wertschätzung

Strategien und Zielen und konkrete operative Tätigkeiten transparent miteinander zu verknüpfen, hat einen zentralen Nutzen: Es erzeugt Sinn. Mitarbeiter werden in die Lage versetzt zu verstehen, warum sie etwas tun und können ihre Tätigkeit im gesamtunternehmerischen Kontext einordnen. Das fördert die dezentrale Entscheidungskompetenz, erhöht die Chance für konstruktive Verbesserungsvorschläge und fördert potenziell auch die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen. Wenn das Management seinen Mitarbeitern die Chance gibt, den Grund ihres Handelns verstehen zu können und dadurch Raum zur Diskussion entsteht, zeugt das in erster Linie auch von Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern. Mitarbeiter werden dann nicht als stupide Ausführer von Prozessschritten, sondern als denkende Menschen verstanden.

Dabei ist es weniger entscheidend, ob Mitarbeiter die Einladung zum Hinterfragen der Unternehmensstrategie annehmen – das steht auf einem anderen Zettel. Entscheidend sind das dahinterstehende, kommunizierte Menschenbild und die Eröffnung des Möglichkeitsspielraums.

Ein gesundes Maß an Verknüpfung finden

Sollten aus diesen Gründen nun alle Prozessschritte mit Querverweisen zu Strategien und Zielen versehen werden? Keine Angst. Selbstverständlich sollte die Kopplung in einem gesunden Maße erfolgen. Aber was das gesunde Maß ist, das entscheidet eben nicht allein das Management. Vielmehr handelt es sich um einen organisationalen Aushandlungsprozess, in dem fortlaufend ermittelt wird, ob die Kopplung ausreichend ist – oder eben nicht. In der Regel läuft dieser Aushandlungsprozess nicht darauf hinaus, dass an jedem Prozessschritt eine Begründung steht, wieso dieser nun zum Unternehmenswachstum oder zu reduzierten Reklamationszahlen beiträgt.

Was, wenn die Kopplung vollständig fehlt?

Sicher ist: Eine Kopplung zwischen Strategien und Prozessen sollte niemals gänzlich fehlen. Wenn dem aber so ist, legt das nahe, dass

  • schlicht keine unternehmerische Strategie existiert oder
  • dass diese nicht explizit niedergeschrieben ist oder
  • dass diese nicht bekannt ist oder
  • dass die Verknüpfung seitens des Managements nicht gewollt ist.

In allen Fällen besteht dringender Handlungsbedarf! Denn die Kopplung zwischen Strategien und Zielen und operativen Tätigkeiten ermöglicht deren Abgleich und gegenseitige Abstimmung, fördert die Entscheidungskompetenz von Mitarbeitern und drückt Wertschätzung gegenüber jedem Einzelnen und seinen Tätigkeiten aus.  

Der Einwand, eine solche Kopplung sei seitens der Mitarbeiter doch gar nicht gewünscht, ist häufig nur eine Schutzbehauptung des Managements, mit der Veränderungen im Keim erstickt werden. Hier kommen wieder die eingangs erwähnten Qualitäts- und Prozessmanager ins Spiel: Mit ihren Kompetenzen und Perspektiven können sie den organisationalen Dialog bezüglich der Kopplung zwischen Strategien und Prozessen anstoßen, moderieren und die Umsetzung vorantreiben. Letztlich, das muss auch klar sein, bleibt die Kopplung aber eine (Vor-)Leistung, die initial das Management erbringen muss.

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Seit 2009 steht die Modell Aachen GmbH für Interaktive Managementsysteme auf Basis der Wiki-Technologie. Mit Software und Managementberatung begleiten wir unsere Kunden auf dem Weg zu prozessorientierter Unternehmensführung sowie leichtgewichtigem Wissensmanagement. Mit unserem Modell Aachen Insights Blog teilen wir unser Wissen rund um die Themen Interaktive Managementsysteme, Prozessmanagement und Qualitätsmanagement mit euch.

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