Prozesslandkarten in Konzernstrukturen – auf die Perspektive kommt‘s an

Jonas Basten

Von

Jonas Basten

Veröffentlicht am

25.8.2023

Prozesslandkarten in Konzernstrukturen – auf die Perspektive kommt‘s an

Es gibt zahlreiche Gründe, eine Prozesslandkarte zu erstellen. Einer davon ist es, ein Unternehmen mit mehreren Standorten oder einen Konzern mit stark arbeitsteiligen Organisationseinheiten strukturiert abzubilden. Dabei herrscht vielerorts die Annahme: Je größer das Unternehmen, desto komplexer und umfangreicher muss eine Prozesslandkarte sein! Aber wenn man in der Praxis genauer hinschaut, ist das nicht unbedingt der Fall.

Je größer größer das Unternehmen, desto komplexer seine Prozesslandkarte?

Unabhängig von der Größe eines Unternehmens gibt es viele Prozesse, um die sich jede Organisation kümmern muss: Personal-, Einkaufs-, Finanzprozesse, … Während bestimmte Prozesse in größeren Unternehmen möglicherweise detaillierter ausgestaltet werden müssen – aufgrund von Spezialisierung, Prozessvarianten oder der Notwendigkeit, viele Mitarbeiter zu koordinieren –, bleibt die übergeordnete Struktur auf der Prozesslandkarte oft verblüffend ähnlich. Die Prozesslandkarte wird mit wachsender Organisation also nicht zwangsläufig größer, sondern der darunterliegende Prozess-Unterbau wird tiefer.  

Warum die richtige Perspektive bei Prozesslandkarten für komplexe Konzernstrukturen eine wichtige Rolle spielt, lässt sich anhand eines konkreten Beispiels erläutern.

Die richtige Perspektive oder: Wie klassifiziert man Prozesse der Zentrale geeignet?

Stellt euch ein Unternehmen vor, das 50 Kioske in Großstädten betreibt. Jeder Kiosk hat die gleiche primäre Funktion: Fußgänger bedienen und deren Hunger und Durst durch den Verkauf passender Produkte zu stillen. Der Verkauf und die Abrechnung der Waren im Kiosk sind also vereinfacht die Kernprozesse der Kioske.

Im Hintergrund gibt es eine Zentrale, die unter anderem folgende Prozesse durchführt:

  • zentrale Warenbeschaffung
  • IT-Systeme bereitstellen
  • Buchhaltung durchführen
  • Finanzierung sicherstellen
  • Personal einstellen

Diese Prozesse sind für den Fußgänger im Kiosk nicht ersichtlich. Sie befriedigen das Kundenbedürfnis “Durst stillen” oder “Hunger entgegenwirken” nicht unmittelbar. Der Fußgänger ist lediglich mit den bereitgestellten Produkten im Kiosk konfrontiert, die er aus dem Regal nimmt, an der Kasse bezahlt und anschließend konsumiert. Aus Sicht der Fußgänger und der Kioske sind diese Prozesse, die die Zentrale durchführt, somit Unterstützungsprozesse. Sie stillen weder Hunger noch Durst. Sie sind allerdings notwendig, damit der einzelne Kiosk dies tun kann.

Wechseln wir nun die Perspektive: Die Zentrale ist genau dafür geschaffen worden, Waren zentral zu beschaffen, einheitliche IT für die Kioske bereitzustellen und die Buchhaltung durchzuführen. Die Prozesse, die der einzelne Kiosk als unterstützend wahrnimmt, sind folglich die Kernprozesse der Zentrale. Diese Prozesse produzieren die Kernleistung der Zentrale: 24/7 betriebsfähige Kioske. Zudem tragen Sie maßgeblich zur Wertschöpfung der Organisation bei, beispielsweise durch gute  Einkaufskonditionen bei Lieferanten.

Prozesse optimal auf die Bedürfnisse der (End-)Kunden ausrichten

Für die Erstellung der Prozesslandkarte ist es also eine elementare Frage: Wer ist eigentlich der Kunde der Zentrale? Ist es der Fußgänger oder sind es die Kioske? Je nachdem, aus wessen Perspektive man die Prozesslandkarte betrachtet, kann sich die Klassifizierung der Prozesse ändern. Ein Prozess, der aus dem Blickwinkel einer Einheit der Organisation als Kernprozess gilt, kann für eine andere Einheit ein Unterstützungsprozess sein.

Für Geschäftsführer, Qualitätsmanager und Managementsystemverantwortliche ist es daher von großer Bedeutung, diese Nuancen zu erkennen und sie bei der Erstellung und Interpretation von Prozesslandkarten zu berücksichtigen – gerade in Konzernstrukturen. Denn letztlich ist es das Ziel, die Prozesse und Strukturen des Unternehmens ganzheitlich optimal auf die Bedürfnisse der (End-)Kunden auszurichten. Es geht meist nicht nur darum, Prozesse akademisch zu klassifizieren, sondern auch darum, den Gesamtzusammenhang der Wertschöpfung der Organisation zu verstehen.

Je größer die Organisation, desto größer die Gefahr, dass der Gesamtzusammenhang aus dem Fokus gerät. Vor lauter interner Leistungserbringung kann man beim Erstellen einer Prozesslandkarte schnell aus dem Auge verlieren, wer der Endkunde ist und welche Prozesse im unmittelbaren Zusammenhang zu dessen Auftrag stehen. Doch genau das sind eure Kernprozesse. Oder wie eine Geschäftsführerin für meine Ohren treffend sinngemäß anmerkte: „Ohne Fußgänger, keine Zentrale“.

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